Veröffentlicht / modifiziert: 2024-09-18 / 2025-06-21
Plötzlich und unerwartet stand da ein Macintosh Performa 630CD auf meinem Tisch. Nach einer frischen Installation von System 7.5.3 war es an der Zeit, Dateien auf die Maschine zu kopieren. Aber wie?
Zwar war der Macintosh Performa 630 der erste Apple-Computer, welcher mit IDE-Festplatte auf den Markt kam - statt der bis dahin übliche SCSI-basierten - doch Ethernet-Netzwerkuntertützung war nur in Form einer Erweiterungskarte für den exotischen COMM-Port zu haben (die mein Mac hier nicht hatte). In jedem Fall bot dieser Computer ein SuperDrive-Diskettenlaufwerk (das mit 400K-, 800K- und 1.44M-Disketten umgehen kann) und das 630CD-Modell kam sogar mit einem SCSI-basierten CD-ROM-Laufwerk (das jedoch weder CD-R noch CD-RW unterstützt). Neben Video-Out (DB-15) und ADB gab es zwei serielle Anschlüsse, beschriftet mit Modem
und Printer
und ADB für Tastatur und Maus.
Natürlich wäre es möglich, segmentierte Archive zu erzeugen und jeden Teil mit Hilfe einer 1.44M Diskette auf den Macintosh zu übertragen. Stuffit wäre hier sicher eine gute Wahl, weil solche Archive einfach auf dem Machintosh entpackt werden können. Aber ein solcher Ansatz setzte einen weiteren älteren Mac oder eine entsprechende virtuelle Maschine voraus, sowie ein weiteres Diskettenlaufwerk - und wäre recht hands-on
. Wenn man in den 1990ern einen solchen Macintosh mit einem lokalen Netzwerk verbinden (LocalTalk) oder sogar dank Modem im WWW surfen konnte, dann sollten die dazu genutzten seriellen Anschlüsse auch heute für den gelegentlichen Dateitransfer taugen, oder nicht?
Die Idee war, den Macintosh mit einem anderen Computer zu verbinden, welcher serielle Anschlüsse sowie Zugang zu Netzwerkresourcen über Ethernet hatte. Sozusagen ein minimalistisches Bridge-System.
Apple erfindet das Rad gerne neu. Obwohl frühe Apple Computer DB9-basierte Seriell-Anschlüsse boten, sind sie bei den meisten 68K-basierten Macintosh-Computern nicht zu finden. Stattdessen sind die beiden Anschlüssee Modem
und Printer
als runde Mini-DIN mit je 8 Pins (Mini-DIN 8, weiblich) ausgeführt. Ein männlicher Kabel-Stecker sieht wiefolgt aus:
Pin | Signal | Beschreibung |
1 | DTR | Data Terminal Ready - Handshake, Mac zu PC |
2 | DSR | Data Set Ready - Handshake, PC zu Mac |
3 | TXD | Transmit Data - Daten, Mac zu PC |
4 | GND | Ground - Masse |
5 | RXD | Receive Data - Daten, PC zu Mac |
DB9 ist schon lange der de-facto Standard für neun-adrige serielle Anschlüsse in der Welt der PCs. Sogar heute noch sind sie für alle aktuellen Computersysteme zu haben, entweder integriert oder als Erweiterungskarte. In der Industrie erfreut sich der Anschluss weiterhin großer Beliebtheit. Die einzelnen Kontakte des Kabel-Steckers werden wiefolgt gezählt.
Pin | Signal | Beschreibung |
1 | DCD | Carrier Detect Input |
2 | RXD | Receive Data - Daten, Mac zu PC |
3 | TXD | Transmit Data - Daten, PC zu Mac |
4 | DTR | Data Terminal Ready - Handshake, PC zu Mac |
5 | GND | Ground - Masse |
6 | DSR | Data Set Ready - Handshake, Mac zu PC |
7 | RTS | Request to Send |
8 | CTS | Clear to Send |
9 | RI | Ring Indicator |
Zwar sind physisch passende Mini-DIN-8-zu-DB9-Adapters weiterhin verfügbar, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass die meisten in diesem Kontext nicht funktionieren, weil sie für andere Szenarien konzipiert sind. Es fiel mir schwwer, einen adäquaten Adapter aufzutreiben, sodass ich mich kurzerhand entschloss, einen solchen selbst herzustellen. Da zwei Computer verbunden werden sollten, brauchte es ein Crosslink-Kabel. So mussten die Adern für Handshake and Transmit/Receive Data an einem Ende vertauscht angeschlossen werden. Das unten gezeigte Diagramm zeigt die Verdrahrung für einen Adapter zu männlichem Mini-DIN 8.
Ich erstand ein neues Mini-DIN 8-Verlängerungskabel sowie einen weiblichen DB9-Stecker mit verscharaubbaren Anschlüssen. Zum Zubehör des Performa gehörte neben Tastatur und Maus auch einen StyleWriter II sowie dessen Druckerkabel (männliche Mini-DIN 8 an beiden Enden). Letztendlich sollte mein Adapter zusammen mit dem Druckerkabel verwendet werden. Die Hälfte des neuen Kabels, welches mit dem weiblichen Mini-DIN 8-Stecker endete, würde die Basis des Adapters bilden. Als ganzes betrachtet hatten wir hier also einen Adapterkabel von Mini-DIN 8 (männlich) auf DB9 (weiblich).
Mit dem Adapter waren die grundlegenden Herausforderungen erfüllt - und ich konnte die beiden Computer endlich physikalisch verbinden. Um sie dazu zu bringen, miteinander zu kommunizieren, bedurfte es kompatibler Software auf beiden Seiten. Kermit - ein Projekt, welches an der Columbia University, NY seinen Ursprung hat - gab es bereits seit 1981 und war für eine Vielzahl an Plattformen verfügbar. Mit The New Open-Source Kermit Project wird es auch heute noch optimiert und erweitert.
MacKermit, eine Anwendung für Motorola 68000-basierte Macintosh-Computer, schnurrte wie ein Kätzchen auf meinem Macintosh System 7.5.3. Zum Glück hatte es auf eine 1.44M-Diskette gepasst und hatte leicht per Drag & Drop installiert werden können. Ich richtete Kermit 95 (C-Kermit 10.0 Beta.11, erschienen im August 2024) auf dem PC ein - ein Pentium III mit Windows 98 SE - die aktuellste Version zur Zeit dieses Projektes. Es lag sogar ein 32-bit-Installationspaket vor!
Kermit 95 hat eine grafische Benutzeroberfläche, wartet jedoch mit einer hybriden Nutzung auf: einerseits lässt sich der Dialer verwenden, um Verbindungen für den täglichen Gebrauch anzulegen, andererseits steht eine Konsole zur Verfügung, mit welcher ad hoc-Verbindungen initiiert werden können. Sollen Dateien zum PC hochgeladen werden, dann ist die Option auto-download
wärmstens empfohlen, denn sie macht die Nutzung einfacher.
Ich habe meine Verbindung in der Kermit-Konsole wiefolgt geöffnet:
> cd e:\temp # Arbeitsverzeichnis wählem
> set port com1 # COM-Port bestimmen, hier COM-1
> set speed 57600 # die Übertragungsgeschwindigkeit beider Computer
> set carrier-watch off # kein Träger-Signal
> set terminal type tty # Terminal-Typ TTY
> set parity none # keine Parität
> set terminal bytesize 8 # 8 Bits im Terminal
> set command bytesize 8 # 8 Bits pro Kommando
> set terminal remote-character-set ascii # Zeichensatz des Terminals: ASCII
> connect # öffne Verbindung
Sie können den Dialer-Eintrag herunterladen, welchen ich für die o.g. serielle Verbindung in diesem Experiment angelegt habe.
MacKermit ähnelt Kermit 95, die Einrichtung ist aber viel simpler. Unter Settings
, wählte ich Modem
aus, weil der Adapter am Modem-Anschluss des Macintoshs eingesteckt war. Zusätzlich deaktivierte ich carrier watch
und stellte die Geschwindigkeit der seriellen Verbindung auf die maximalen 57600 Baud. Es blieb nur noch, das Arbeitsverzeichnis unter File-Transfer
Set directory
festzulegen (von dort sendet man und dorthin lädt man Dateien herunter). Mittels Get file from server
und Send file
konnte ich Dateien vom PC herunterladen und auf den PC übertragen.
Die oben gezeigten Screenshots von MacKermit wurden für optimale Lesbarkeit mit einem in Basilisk II emulierten Macintosh Performa 630 erstellt.
Wenn disconnect when finished
aktiviert ist und eine Übertragung scheitert, dann muss man mit connect
Kermit 95 erneut verbinden. Sollte auto-download
nicht aktiviert sein, so wird der PC jedes Mal einen Speichern-Dialog (Safe file as...
) anzeigen und auf Eingabe warten, während man vor dem Macintosh sitzt und sich wundert, warum keine Übertragung startet.
Mit den oben genannten Einstellungen konnte ich etwa 2.5 MB pro Stunde übertragen - ja Stunde, nicht Sekunde. Für Übertragungen über das Internet wäre das in der Mitte der neunziger Jahre ganz passabel gewesen. Wenn man einen Computer sein Eigen nennt, mit welchem man Disketten für alte Macintoshs beschreiben kann, dann ist das ganz offensichtlich die schnellere Option, hat aber andere Nachteile. Wenn jedoch Disketten keine echte Wahl sind, zum Beispiel weil die Distanz zwischen Macintosh und PC recht groß ist, dann ist eine serielle Verbindung eine gute Möglichkeit, um Daten zu übertragen. Übrigens: man braucht als Endpunkt keinen Computer mit traditionellem seriellen Anschluss - es existieren z.B. USB-zu-Seriell-Adapter, welche sich an jedem modernen System einsetzen lassen.
Viele aktuelle Einplatinencomputer können für serielle Kommunikation via UART eingerichtet werden. Und ein passendes GPIO-Anschlusskabel lässt sich ohne größen Aufwand herstellen. Angesichts der Flexibilität und Konnektivität beispielsweise eines Raspberry Pi 4 kann man sich recht elegante und funktionale ggf. WLAN-gestützte Lösungen vorstellen.
Traditionelle Netzwerke sind ein anderer vielversprechender Pfad: es lohnt sich sicher, LocalTalk genauer unter die Lupe zu nehmen, doch würde ich keine siginifikant höheren Übertragungsraten erwarten. Um ein LokalTalk-Netz mit heutigem Ethernet oder WLAN zu verbinden, ist Technik zum Überbrücken notwendig, die weder trivial noch weit verfügbar ist. Die kostenintensive Alternative ist wahrscheinlich eine Ethernet-Netzwerkkarte für den COMM-Port des Performas. Mit diesem Ansatz sollte man aber einen recht bequemen und schnellen Netzwerkzugriff haben, vorallem im Vergleich zu seriellen Verbindungen.
Allen Szenariien gemein ist ein kompatibler Service im Netzwerk, um beisielsweise Dateien auszutauschen. Ein FTP-Server ist für die grundlegenden Bedürfnisse zwar ausreichend, Apple-Dateifreigaben (AFP), im Netz für Computer mit Mac OS 7 sichtbar und und zu erreichen, sind aber das natürliche Pendant und daher viel attraktiver. Ein Netatalk-Server, wie im zweiten Teil der G4-Serie beschrieben, sollte diesen Zweck erfüllen.
Die folgenden Webseiten haben mir bei meinem Experiment Orientierung und wertvolle Hinweise geboten.
Abfahrt planmäßig/ Skizzen aus Bus und Bahn